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Das Wut-Monster - 03. Der Hueter der Alptraeume

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oolaexai's avatar
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Die Abenteuer des Wut-Monsters
Kapitel 03: Der Hüter der Alpträume


Es war natürlich nicht wahr, dass das Wut-Monster keine Familie hatte. Jeder und alles hat eine Familie – und sei es nur für ein paar Minuten. Sogar Steine, obwohl das eine andere Art von Familie war, von denen nur Leute namens Geologen Ahnung haben. Doch es bevorzugte nicht daran zu denken. Für es war die Version des Gartens wahr, weil es beschlossen hatte, dass sie besser war. Doch manchmal kam die andere Wahrheit doch zurück geschlichen. Als Lüge, als Traum. Das war sehr ärgerlich und auch etwas anstrengend.

Also beschloss das Monster sich an eine Person zu wenden, die der „Hüter der Alpträume“ genannt wurde. Sie sammelte ungewollte oder verlorene Träume, die sonst keinen Platz in der Welt hatten. Die meisten waren dem Hüter tatsächlich zugelaufen, streunende Träume, vergessene Geschichten oder kleine Götter, die niemand mehr haben wollte.

Doch woher wusste das Monster davon? Natürlich von den Ratten. Ratten waren sehr clever und normalerweise war es unmöglich sich ihnen von hinten anzuschleichen – doch sie waren auch arrogant und dachten nicht, dass in der Kanalisation, ihrem Hoheitsgebiet, es jemand versuchen würde. (Katzen kamen selten in den Untergrund, es war zu feucht und zu dreckig dort. Die armen Jäger säubern ja ihr Fell mit der Zunge und nicht jeder findet stinkiges Wasser und Brocken an halb vergammelten Zeugs lecker!) Doch das Wut-Monster, wie jedes andere Monster auch, hatte ein Talent sich im Schatten zu verbergen – und so überhörte es jenes Gespräch als zwei braun-graue Gesellen seinen Weg kreuzten.


„Hm.. Was hast du damit gemacht?“
„ Mit was?“
„Mit dem störenden Ding.“
„Is' weg.“
„Hm.“
„Du weißt davon?“
„Hm.,, wovon?“
„Dem Hüter.“
„Hüter von was?“
„Von Alpträumen.“
„Wer?“
„Der Hüter der Alpträume.“
„Hm.“  
„Wohnt hinter großem Licht Tor“

Damit meinte die Ratte das große Tor, an dem das ganze Abwasser am Rande der Stadt sich sammelte und in den Fluss gelenkt wurde. Die Strömung war dort sehr reißend und viele spitze Dinge und Plastiktüten schwammen im Strom. Dort hineinzufallen war wahrlich nicht zu empfehlen und selbst die beste, das Klo runtergespülte Erbsensuppe schmeckte spätestens ab dieser Stelle wirklich widerlich.

„Hm.“
„Was verrückt.“
„Hm.“
„Nimmt die schlechten Träume fort. Sammler.“
„Hm... verrückt.“
„Ja.“


So hörte das Monster und so machte es sich auf die Reise durch das unterirdische Labyrinth. Ein ganz schön weiter Weg, denn es war eine große Stadt mit einer weiten Kanalisation. So manches Mal verirrte es sich und setzte sich an die kühle Wand aus Stein, um auszuruhen. Dann betrachtete es den grünlichen Fluss, auf dem sich Licht golden spiegelte, vom Abflussdeckel kam es her. Oben brummte der Verkehr und sein eigener Atem war ganz laut. Ihn hm drin klopfte das Herz als wäre nicht genug Platz, denn das Monster hatte Angst. Wenn selbst die schlauen Ratten diese Person für nicht ganz dicht hielten, dann war mit ihr nicht gut Kirschen essen. Doch das Wut-Monster hatte auch Angst nach oben zu gehen und in dem fremden Stadtteil den Müll zu durchsuchen, obwohl sein Magen leer war und diese Leere seine ganzen Organe zusammenzog (warum sein Herz nicht die freie Stelle einnahm, würde es nie verstehen). Es hatte auch Angst von der Dunkelheit, auch wenn das unmonsterhaft war, doch nicht so sehr. Es hatte vor recht vielem Angst und das war irgendwo auch praktisch. Denn es verhält sich so: Wenn sich so viel Angst angesammelt hat im Laufe der Zeit, dann ist das als würde man einen ganzen Kuchen essen müssen (obwohl man keinen Kuchen mag). Zuerst ist man nach zwei Stücken proppesatt, doch wenn man über eine Woche jeden Tag ganz viel Kuchen isst, dann sind auch vier oder fünf oder sechs Stücke kein Problem mehr. So hatte auch das Monster einen dicken, dicken Bauch für die Angst und daher nicht mehr so viel Angst vor der Angst und erst recht nicht vor gruseligen Sachen.

***

Endlich kam das Monster am Lich Tor an und zwängte sich durch die rostigen Gitterstäbe. Gleich am Ufer befand sich ein Tierheim, oder zumindest sah es so aus. Ein großes Tor versperrte den Zugang, doch es sah durch das Grün am Ufer Zwinger und Käfige und auch ein großes Vogelhaus hinter einer grauen Mauer. Es nahm all seinen Mut zusammen, watete durch das übelriechende Wasser und drückte die Klingel am Eingang. Sie war rot und rund und ob sie funktionierte, das wusste wohl nur der Hüter der Alpträume, denn das Monster hörte keine Glocke.

Doch was um Himmels Willen will unser Wut-Monster hier? Zu so einem gruseligen Ort, zu einer solch ominösen Person kann doch niemand gehen wollen! Das Monster schon, es hat nämlich eine Agenda nicht mehr so oft wütend zu werden und vielleicht ist ein versteckter Defekt, ein Alptraum ja an der ganzen Misere Schuld! Jemand, der sich so auf das Sammeln und Einsperren von Träumen versteht, der muss sie ja auch gut finden und fangen können, nicht wahr? Das ist wie mit dem Können von Sammlern von Zierfischen oder Krokodiljägern.

Plötzlich vernahm es ein Räuspern. Es sah hinunter auf ein kleines Mädchen mit krausem Haar und dem Monster blieb fast das viel zu große Herz in der viel zu engen Brust stehen! Es schwitzte und zitterte und seine Krallen zuckten, denn des es drohte wütend zu werden. Der Hüter der Alpträume grinst sehr, sehr breit: ein roter Kirschmund in einem Mondgesicht, wie eine Wunde sah es aus.

„Ha! Ich seh' schon, viele, viele schöne Träume! Diverse Reifegrade, alte und neue, versteckte und geliebte, abgenutzte und welche ummantelt mit Einsamkeit; oh, ich liebe diese!“ Ihre Stimme klang tief und alt.

Das Monster setzte zu einer Frage an, doch sie antwortete zuvor: „Ich nehme die Form an, die am ehesten deine Alpträume hervorlockt! Man muss sie ködern, verstehst schon.“

So ruhig und zivilisiert wie möglich versuchte das Monster sich zu erklären: „Könnten Sie Ihre Erscheinungsform vielleicht... irgendwie ändern? Leider macht mich der Anblick von Kindern etwas... nun, es mag komisch klingen, doch er macht mich wütend.“

„Weil sie so unwissend, verletzlich und grausam sind?“, fragte sie.

„Grausam?“, fragte es.

„Natürlich! Kinder sind die grausamsten Wesen auf der ganzen Welt! Wie sonst ist zu erklären, dass alle richtig schrecklichen Alpträume einmal Kinder gewesen sind?“

„Sie waren einmal Kinder?!“, fragte das Monster entsetzt. Das konnte es sich nicht so recht vorstellen. Doch der Hüter der Alpträume war definitiv schlauer und hatte mehr Ahnung auf diesem Gebiet. Auch wenn sie etwas verrückt wirkte, unterstützt davon, dass sie nun anfing in großen Sätzen herumzuspringen. Immer und immer wieder über die große Pfütze vor dem Tor. Einige Male landete das kleine Mädchen mittendrin und bespritzte das Monster mit schlammigen Regenwasser (allerdings stank es eh schon).

„Ja. Ja!“, erklärte sie dabei. „Kennst du das nicht? In Träumen passieren die aberwitzigsten Sachen und du findest sie völlig normal. Kinder haben das selbe mit Grausamkeit. Sie ist selbstverständlich, macht neugierig. Unschuld, sag ich dir. Keine Gedanken über Schuld, denn in Träumen können sie spielen wie sie wollen, ohne Konsequenzen. Daher werden viele Kinder Alpträume, verschwinden irgendwann und besuchen ihre Eltern nur noch manchmal in der Nacht. Wenn man einen Schmetterlingsschatten ohne zugehöriges Insekt sieht, dann war das ein vorbeiziehender Alptraum, ein unschuldiges Kind auf der Suche nach neuen Welten, Schätzen und Abenteuern!“

„Könntest... d-du dennoch..?“, murmelte das Monster.

Doch das Mädchen lachte nur. „Ich habe mit den Ratten geflüstert, ich weiß weswegen du da bist! Du willst einen Alptraum rauslocken und einsperren, ja?“ Oh je, die Ratten wussten von dem Monster? Und es hatte sich die ganze Zeit nicht vorgestellt.... Es nickte, sie drehte sich im Kreis und tippte ihn dann mit dem Zeigefinger gegen den Bauch: „Ich mache das aber nicht umsonst! Der Preis ist, dass ich einen anderen Traum meiner Wahl behalten darf!“

Das Monster blickte den Hüter der Alpträume verwirrt an.

„Okidoki?“, fragte sie.

***

Was dann geschah wusste das Wut-Monster nicht mehr so recht, als es sehr, sehr müde zurück in die dunklen Gänge seines neuen Zuhauses trottete. Das Licht funkelte nicht mehr durch die Gullys, doch das Hupen und der Schall von rotierenden Autoreifen war lauter als zu vor. Also war es wohl die Zeit, in der die meisten Menschen von der Arbeit kamen und sein Zimmergenosse Charlie sich zum Flaschensammeln aufmachte. Es wollte nur noch nach Hause, das Monster, sich auf die Matratze legen und sein Herz überreden sich nicht so groß zu machen, denn es war wirklich nicht mehr so viel Platz in ihm. Auch wenn anscheinend nun zwei Träume weniger in ihm wohnten. Es schnaufte und lehnte sich gegen ein Rohr, welches etwas undicht war und warmen Dampf ausstieß.

Als es sich dann endlich auf die Matratze fallen ließ, war sein Fell ganz feucht und ihm ganz kalt, obwohl das Kanalisationswasser schon längst hätte getrocknet sein müssen. Es roch noch nach Mensch hier und das Monster rollte sich in die Decke und schloss die Augen und spürte ein großes, großes Loch, da wo einst sein Garten gewesen war.


*** **** ***
In diesem Kapitel verfolgt das Monster weiter sein Ziel, seine Wut loszuwerden und sucht bei einer ominösen Person Hilfe.
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Anarcen's avatar
Sehr eigener Text! Ich musste mich erst einmal an den Schreibstil gewöhnen, nach und nach ist es aber ein kleiner Genuss weiter zu lesen, abstrakt, das Gespräch der Ratten zum Schmunzeln (genau nach meinem Geschmack), teilweise war ich ein wenig verwirrt, der Einschub, in dem der Autor den Leser anspricht "Doch was um Himmels Willen will unser Monster hier?..." hat mich ein wenig beim Lesen gestört, ansonsten das Ende einfach toll! Genau mein Geschmack, für die Befreiung des schlimmsten Albtraumes den schönsten Traum (wahrscheinlich zugleich auch Zufluchtsstätte) verloren, auch die Darstellung des Hüters der Albträume auf abstrakte Weise eine Herausforderung an den Leser, sich darunter ein unschuldiges Kind vorzustellen, das in der Pfütze rumspringt, und doch dem Monster seinen schönsten Traum nimmt, eine tolle Idee! (außer ein paar Rechtsschreibfehler und so, nicht viel zu bemängeln, allerdings immer wenn man die Geschichte schon weiter ausgeschrieben hat (paar Kapitel weiter, meine ich), einfach noch einmal drüber lesen, als Autor fällt einem doch noch das ein oder andere auf (entweder wenn etwas nicht stimmig ist, oder wenn andere Formulierung oder so besser klingen würde...) auf einmal fallen mir so viele Dinge auf, die hier im Text stehen, aber normalerweise nicht miteinander verbunden wird, das Wutmonster, das eigentlich nicht mehr wütend sein möchte, und und und...
Weiter so!